Während die Gründungsintendanten des Berliner Humboldt-Forum ihre Ideen und Pläne zur Konzeption des Universalmuseums erst im November präsentieren werden laden das ANCB The Aedes Metropolitan Laboratory und die Stiftung Bauhaus Dessau zum öffentlichen Symposium und damit zur Teilhabe am Forschungsprozess ein, wie Museen des 21. Jahrhunderts konzipiert und was neue Formate sein könnten. Die Auftaktveranstaltung „Museum Revisited“ des über zwei Jahre angelegten Projektes „Museum of the 21st Century – Content – Form – Impact“ des ANCB stellte die Frage nach der Bedeutung des Museums vor dem Hintergrund internationaler, multidisziplinärer und digitaler Entwicklungen. Bedacht wurden die Perspektiven, wie eine Öffentlichkeit an Inhalten partizipieren kann und wie man sie überhaupt ins Museum bekommt.
Der Künstler Bernhard Lüthi forderte in seinem Offenen Brief, den wir im vorherigen Beitrag publizierten, eine stärkere politische Ausrichtung von Museen, indem sie aus ihrer Kraft als Kulturinstitution zur Politik Stellung beziehen und diese aktiv beeinflussen sollten. Der Kunsthistoriker Prof. Dieter Bogner geht in seiner Argumentation in eine ähnliche, wenn auch weniger radikale, Richtung: Museen seien à priori politisch durch die Art und Weise ihrer Vermittlung von Inhalten. Sie sind entgegen der sich verbreitenden Event-Kultur auch in Museen keine Freizeiteinrichtungen, sondern Orte der Bildung sowie der Bildung von Kultur. Die Partizipation an diesen Bildungsangeboten und -räumen müsse allen zugänglich sein. So plädiert er weiter für eine weitaus stärkere Öffentlichkeit und Transparenz von Museen. Sie sollten sich in den Stadtraum hinein öffnen und Inhalte auch von Außen sichtbar wie erfahrbar werden lassen. Denn so könnten unterschiedliche Personengruppen unmittelbar an der Kunst partizipieren ohne in ein Museum gehen zu müssen. Stadt, Museum und Mensch stünden in einem gewissermaßen organischen Austausch. Die Architektur würde diesen Ansatz der „Zwischenräume“, wie Bogner sie nennt, durchaus mitgetragen. Auch wenn die Museumsbauten allein, in welcher noch so fulminanten Ausformung auch immer, weder Partizipation möglich machten noch Menschen ins Museum holten. Darin waren sich alle Symposiumsteilnehmer einig.
Neben Dieter Bogner, der als Kurator, Universitätsdozent und Museumsplaner (bogner.cc Museumsplaner) in Wien arbeitet, saßen die Kunsthistorikerin Dr. Dorothea von Hantelmann aus Berlin und der Direktor der Kunsthalle Wien Nicolaus Schafhausen auf dem Podium. Letzterer verwies darauf, dass zwar viele Museumsneubauten, aber seit mindestens 25 Jahren keine neuen inhaltlichen Strukturen dazu entstehen. Der digitale Raum hingegen ist heute prägend für alle Menschen. Das Google Art Project beispielsweise hat das schon länger erkannt und immer mehr Museum schließen sich der Digitalisierung ihrer Sammlungen für das Projekt an. Die Qualität der Bilder ist enorm und ermöglichst dem Betrachter ein Seherlebnis wie es in einem Museum allein aus Sicherheitsgründen kaum möglich ist. Denn im realen Raum kann er sich nicht in Details zoomen oder den Duktus in Nahsicht erforschen. Die Frage, warum man Museen zukünftig besuchen sollte, scheint hier naheliegend.
Und doch, im Museum ist das Individuum angesprochen und gewollt und die Trias materielle Objekte, Mensch und Raum bildet die Einheit, in der sich Individuum und Masse verbinden kann. Die Kunst braucht Zeit und die Relevanz der Kunst muss weiterhin vermittelt werden, so Dorothea von Hantelmann. In ihrer interessanten anthropologischen Sicht auf das Museum erinnerte Sie daran, dass sowohl der Markt als auch das Ritual seit dem 16. Jahrhundert fest im Museum mit verankert sind und wir immerhin seit gut 200 Jahren gelernt haben, die Disziplinen fein säuberlich zu trennen. Dieses Gelernte gilt es nun, wieder loszulassen bzw. neu zu hinterfragen. Analog müssten sich die Rituale mit der Gesellschaft mit verändern – die Rituale der Kunstbetrachtung, die einst aus den Kirchen übernommen wurden, sowie die Rituale des Ausstellens und Sammelns. Prozesse die Zeit brauchen. Von Hantelmann konstatiert jedoch auch, dass wir uns derzeit in einem paradigmatischen Wandel befinden, indem sich ein Denken in Bezüglichkeiten formiert. Eine Chance, Kunst und Kultur transdisziplinär zu sehen und zu vermitteln.
Nicht ein einziges, sondern vielfältige Formate seien demzufolge notwendig, um die Museen raus in den öffentlichen Raum, auf die Straße, an neue Orte zu bringen und ebenso unterschiedliche Öffentlichkeiten anzusprechen. Denn die Vermittlung ist der primäre Auftrag von Museen. Bogner machte darauf Aufmerksam, dass die Museen mit 50000-100000 Besuchern im Jahr die dominierende Größe in der Museumslandschaft und diejenigen seien, die kontinuierlich Kultur machen und vermitteln.
Die Finanzierung durch die Öffentliche Hand und das Evaluationssystem aufgrund von Besucherzahlen wurden erwartungsgemäß kritisiert. Aus dem Publikum merkte eine Vertreterin der Kulturstiftung des Bundes an, dass sehrwohl neue Formate durch interdisziplinäre Wissenschaftler gesucht und unterstützt würden, die Museumsdirektoren jedoch diese Initiativen blockten. Es gibt also noch jede Menge Gesprächsbedarf für andere, neue Formate von Museen im 21. Jahrhundert. Vielleicht wäre der Vorschlag von Neil MacGregor, keine Eintrittsgelder mehr für Museen zu nehmen ein erster Schritt, um vom Druck der Evaluationen befreite, kreative Energien für neue Formatideen freizusetzen? Denn „es brauche partizipative Modelle der Institutionen und nicht der Kunst.“ so das treffende Schlusswort von Dieter Bogner.
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Die Auftaktveranstaltung „Museum Revisited“ des ANCB The Aedes Metropolitan Laboratory fand in Kooperation mit der Stiftung Bauhaus Dessau am 8. Juli 2016 statt. Die Direktorin Dr. Claudia Perren und Miriam Mlecek von ANCB moderierten das Symposium.
Weitere Veranstaltungen im Rahmen des Projektes The Museum of the 21st Century Content – Form – Image:
26. August 2016
Exhibition Talk – Zai Xing Tu-Mu. Sixteen Chinese Museums. Fifteen Chinese Architects
ANCB The Aedes Metropolitan Laboratory, Christinenstr. 18-19, 10119 Berlin