Berlin wird neu gemischt. Das jedenfalls hat sich „MakeCity – Das Festival für Architektur und Andersmachen“ dieses Jahr vorgenommen und sein Programm unter das Motto „Berlin Remixing“ gestellt. Ein vielversprechendes Programm. Die rund 280 Veranstaltungen atmen, was die einen noch als „Berlin Spirit“ bezeichnen und die anderen längst verloren glauben. Die Vielfalt, soziale und kulturelle Durchmischung, das Unangepasste, Kreative, Widerständige – hinweggefegt von den teils tiefgreifenden Umwälzungen der letzten Jahre.
Wo sich die Mieten in den vergangenen Jahren nicht selten vervielfacht haben, werden die räumlichen und ideellen Freiräume rar – zumindest für die weniger Zahlungskräftigen. Doch Totgeglaubte leben länger. „Der Pionier bleibt hier“, konstatiert die Architektin Britta Jürgens. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass Berlin das große Laboratorium bleibt, das es war. Ein Ort, an dem Querdenker neue soziale und ökologische Konzepte austüfteln und erproben. Einst wie heute. So wie sie selber, die gemeinsam mit ihrem Mann Matthew Griffin die Gewerbebaugruppe Frizz23 am ehemaligen Blumengroßmarkt ins Leben gerufen hat, die Kulturschaffenden Eigentum ermöglicht.
Viele Perspektiven: Führungen von Migranten
Das MakeCity-Programm lässt schnell das Gefühl aufkommen, immer etwas zu verpassen. Selbst bei optimalem Zeitmanagement ist nur ein Bruchteil des Festivals zu bewältigen. Zudem verteilen sich die Workshops, Ausstellungen, Open-House Formate, Hubs und anderes über mehr als 100 Orte im gesamten Stadtgebiet – von Marzahn bis Köpenick. Zentrum des Festivals ist das Tscheschische Zentrum Berlin.
Zahlreiche Führungen beleuchten spezielle Facetten der Großstadt. So bietet „querstadtein. Berlin anders sehen“ Touren von Menschen, die nach der Flucht bei uns eine neue Heimat gefunden haben. Am 24. Juni, dem Tag der Architektur, sind es alleine 130 Stadtspaziergänge, Radtouren und Baustellenbesichtigungen, die ungewohnte Einblicke in die neueste Stadtentwicklung bieten. Im Rahmen des Festivals öffnen viele der Öffentlichkeit sonst unzugängliche Orte ihre Pforten, zum Beispiel die Nordischen Botschaften.
Initiatorin Francesca Ferguson und ihr Team haben 166 Redner aus 30 Ländern eingeladen, darunter etwa Londons Bürgermeister Sadiq Aman Khan, der den Einführungsvortrag zu dem Panel „Cities For People? Making City And The Civic Economy“ halten wird.
Die Mischung macht‘s
„Neumischung“ ist das Leitmotiv für MakeCity. „Im internationalen und resolut transdisziplinären Austausch möchten wir deutlich machen, was das ganzheitliche Denken über Stadtmachen, Architektur, Lebens- und Wohnmodelle und die Erweiterung der idealen Berliner Mischung ausmacht,“ erläutert Ferguson.
Nach dem Auftakt im Jahr 2015 ist es der Initiatorin gelungen, diesmal auch die Politik mit ins Boot zu holen: MakeCity 2018 steht unter der Schirmherrschaft von Michael Müller, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin. Ziel ist es, die Ergebnisse des Festivals aufzuarbeiten und den Politikern als Empfehlung zu übermitteln.
Katrin Lompscher begrüßt das: „Der Berliner hat das spezielle Stadtmitgestaltungs-Gen“, betonte die Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen auf der Pressekonferenz. Ihr Anliegen sei es, die Bürgerbeteiligung zu systematisieren. Vor allem im erfolgreichen Bürgerbescheid zum Tempelhofer Feld habe sich die Kraft von zivilgesellschaftlichen Initiativen gezeigt, die Lompscher ausdrücklich unterstütze.
„Die Berliner sollen sich austoben.“
Auch Antje Kapek, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus plädiert dafür, einen
„Berliner Weg“ zu verfolgen. Selbst ein „Kind der Hausbesetzerszene“, fordert sie die Bürger auf, nach kreativen Ideen zu suchen. Ihr sei es ein Rätsel, warum es nicht längst einen Bosco Verticale in Berlin gäbe, einen „vertikalen Wald“. Der Architekt Stefano Boeri schuf das Hochhaus, auf dessen Balkonen Apfelbäume wachsen, in Mailand. Kapek fordert die Berliner auf, sich „auszutoben“, Wohnen und Natur miteinander zu verbinden und dabei an einem Strang zu ziehen – auch mit der Politik. Vor allem Eigentum verpflichte, so das gemeinsame Credo von Politikern und Kuratoriumsmitgliedern.
No risk, no fun: feldfünf lädt Kiez ein
Ein Beispiel dafür ist „feldfünf“ im Metropolenhauses vis à vis des Jüdischen Museums. Die Bauherren wollen der Stadt durch Architektur etwas zurückgeben„bfstudio architekten“ Der Kiez ist sozial schwach und etwa 70 Prozent der Anwohner haben einen Migrationshintergrund. Sind diese Menschen erreichbar, interessiert an einer Begegnung? Eine Erfolgsgarantie dafür gibt es nicht. „Wir probieren es einfach aus“, so Benita Braun-Feldweg, Mitinhaberin von „bfstudio architekten“. Sie jedenfalls kennt keine Berührungsängste: Jüngst war bereits die benachbarte Grundschule zu Gast. Und während des MakeCity Festivals erprobt das Kuratorenteam des feldfünf, geleitet von Marenka Krasomil, hier diverse Formate aus. Und vielleicht entwickeln sich hier tatsächlich unerwartete neue Synergien. Denn wie Francesca Ferguson weiß, „gibt es manchmal absurd einfache Lösungen“.
MakeCity. Das Festival für Architektur und Andersmachen: 14. Juni – 1. Juli 2018