Eine Schiffsirene tönt. Eine Möwe zieht schreiend vorbei. Zwei Männer haben sich im Liegestuhl niedergelassen und prosten sich zu. Es liegt etwas von Nordsee-Urlaub in der Luft, allerdings an den Ufern der Spree. Genauer im Innenhof der Botschaft des Königsreichs der Niederlande, die sich in einen Pop-up Park verwandelt hat. Der gesamte Hof ist mit flauschigem Kunstrasen ausgelegt. Bis zum 1. Juli Place Making Projekt „playVOID“ statt.
Im Rahmen des MakeCity Festivals für Architektur und Andersmachen lädt die Botschaft die Berliner ein, vorbeizuschauen und zu relaxen – und sei’s nur mal kurz in der Mittagspause. Dabei geht es um die Utopie von einer menschenfreundlichen Stadt. Man könne sich dort sogar die Fingernägel lackieren lassen – das Angebot gebe es wirklich, schmunzelt Benjamin Anker, Botschaftsrat und Leiter der Politischen Abteilung.
„Growing a Home“ – multifunktionaler Pavillon für Geflüchtete
Irgendwie schräg, utopisch und heimelig mutet die vom kubischen Baukörper aus Sichtbeton, Aluminium und Glas umschlossene Szenerie an. Mittendrin ein hölzerner durchlässiger Begegnungspavillon, gestaltet von Architekturstudenten der TU Berlin. Er soll sich zu einer Oase auswachsen und ist dazu bis unters Dach mit Pflanzentöpfen bestückbar. „Growing a Home“ haben die Studenten den Protoypen des Gewächshauses getauft, den sie später gemeinsam mit den Bewohnern einer Stuttgarter und einer Berliner Unterkunft für Geflüchtete nachbauen werden. Im Vorfeld hatten die Studenten – einige von ihnen selber mit Migrationshintergrund – viel Zeit in den Unterkünften verbracht und die Bewohner nach ihren Bedürfnissen und Träumen befragt.
Dabei hat sich vor allem eine übergroße Sehnsucht nach Grün und Gemeinschaft herauskristallisiert. Auch die Nachbarschaft ist auf der geplanten Gemeinschaftsterrasse mit Feuerstelle, Sitzgelegenheiten und Hochbeeten willkommen. Denn analog zu den Pflanzen seien auch menschliche Beziehungen sensible Gewächse, die einer behutsamen Behandlung bedürfen, um zu wachsen, wissen die Studenten.
Humboldt Vulkan als Kontrapunkt zum Humboldtforum
Die Wand des Rem Koolhas-Gebäudes ist mit großen Plakaten bedeckt, die den „Humboldt Dschungel“ und den „Humboldt Vulkan“ zeigen, mit denen Elizabeth Sikiaridi und Frans Vogelaar jüngst in den Medien Furore machten.
Dem kulturellen Großprojekt des umstrittenen Humboldtforums möchten Sie eine partizipatorische Dimension entgegensetzen, wobei auch sie sich bewusst auf Alexander von Humboldt beziehen.
So soll der „Humboldt Vulkan“, ein haus- oder besser schlosshoher Wintergarten, einen öffentlichen Zugang zum Dach des Humboldt Forums bilden. Während der Besucher zum „Gipfel“ aufsteigt, durchquert er die Flora verschiedener Klimazonen aus aller Welt. Ein vorgelagerter Wasserfall stürzt in eine Höhle unterhalb des Schlossplatzes. Der Abstieg soll wie eine Zeitreise durch die Erdzeitalter gestaltet werden – ähnlich wie Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde. Vor allem aber in Bezug auf den Forschungskosmos Alexander von Humboldts.
Die ganze Welt an einem Ort
Für Rüdiger Schaper, der im Studio Talk am Freitag seine Publikation „Der Preuße und die neuen Welten“ vorstellte, war Alexander von Humboldt ein Pionier. Ein früher Ökologe, der erste Nachhaltigkeitskonzepte entwickelte und die Natur als Netzwerk verstand. Zudem war er der erste, der die Flora und Fauna in Abhängigkeit von der Höhe über dem Meeresspiegel beschrieb. Die ganze Welt sei in den Höhenstufen eines einzigen Ortes zu finden, so die Beobachtung des Gelehrten. Auch der Parcours des „Humboldt Vulkans“ spielt mit diesem Gedanken und führt durch die „Höhenstufen“ der botanischen, kulinarischen und kulturellen Geografie.
Als „Wahrnehmungstransformator“ bezeichnet Elizabeth Sikiaridi den Humboldt Vulkan, der Vorstellungsräume und Möglichkeitswelten erschließe. Auch tief unter dem Berliner Pflaster liegt ein längst erloschener Vulkan, der vor 290 Millionen Lavaströme ausspie. Ein Vulkan der Ideen soll nun in Berlins Zentrum sprudeln, ginge es nach den Ideengebern. „Das Projekt basiert auf einer genauen Analyse und Auseinandersetzung mit der komplexen Geschichte des Standortes“, erklärt Vogelaar. Historisch sei das Schlossareal von mehreren sich überlagernden städtischen Systemen geprägt. So bilde der Anbau eine Achse mit „Unter den Linden“.
Manche Utopien werden wahr
Es ist eine beflügelnde Vision. Sie braucht Weitblick, Überzeugungskraft und – gerade im gegenwärtigen Berlin – viel Beharrlichkeit. Das hatten bereits Christo und Jeanne-Claude auf dem langen Weg erfahren, den sie bis zur Verhüllung des Reichtags gegangen sind. Eine Utopie, die nicht nur die Berliner verzauberte, als sie nach der Wiedervereinigung endlich Realität geworden war.
So halten auch die Initiatoren des Humboldt Vulkans unverdrossen an ihrer Vision fest. Und stoßen nicht nur auf Unterstützung der Kreativen. Ein Pumpenspezialist aus der norddeutschen Heide ist bereits wild entschlossen, den Wasserfall in Gang zu bringen, so Sikiaridi: „Wenn ihr das macht, bin ich auf jeden Fall dabei“.
Wer jetzt erst recht Lust auf eine grüne Stadt bekommen hat:
Embassy Lab GRÜNtopia: How can we green our cities? Lectures and Discussion
22. Juli: 15.00 Uhr bis 18.30 Uhr, Niederländische Botschaft des Königsreichs der Niederlande, Klosterstraße 50, 10179 Berlin
Keynote: Renate Künast
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